Über die Änderungen im Insolvenzrecht aufgrund der COVID-19 Pandemie haben wir bereits berichtet. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung war ursprünglich nur für den Zeitraum 1.3.2020 bis 30.6.2020 vorgesehen. Mit der am 3.7.2020 in Kraft getretenen Novelle zu § 9 des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung bis 31.10.2020 (rückwirkend) verlängert.
- Nach dem 31.10.2020 hat ein überschuldeter Schuldner die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf des 31.10.2020 oder 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung, je nach dem welcher Zeitraum später endet, zu beantragen. Die verlängerte Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung knüpft – im Gegensatz zur verlängerten Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit – nicht an Ursachen an, die von der COVID-19-Pandemie verschuldet sein müssen.
- Unberührt bleibt die Verpflichtung eines Schuldners, bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb von 120 Tagen zu beantragen, wenn die Zahlungsunfähigkeit durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurde.
Mit dieser Verlängerung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung scheidet die Haftung für eine Insolvenzverschleppung nach Eintritt der Überschuldung bis 31.10.2020 aus, wenn der Antrag danach im Rahmen der Fristen gestellt wird. Ebenso entfällt die Haftung der Geschäftsführer nach § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG, weil diese Haftungsbestimmung an die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags anknüpft. Um einen Gleichklang mit dem GmbH-Recht zu erreichen, wurde ausdrücklich auch für Vorstände einer Aktiengesellschaft die an § 84 Abs 3 Z 6 AktG anknüpfende Haftung bei Zahlungen nach Eintritt einer Überschuldung bis 31.10.2020 außer Kraft gesetzt.
Nicht abgeändert wurden durch die COID-19-Gesetze die Haftungsbestimmungen des § 9 Abs 1 BAO und des § 67 Abs 10 ASVG für Geschäftsführer einer GmbH und Vorstände einer AG. Trotzdem ist das schuldhafte Verhalten die Voraussetzung der Geschäftsführer- und Vorstandshaftung. Dieses wird bei gesetzlich verlängerter Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung nicht vorliegen. Theoretisch strittig und zu Haftungen der Vertretungsorgane führen könnten unrichtige Erklärungen über die voraussichtliche Nichtgefährdung der Einbringlichkeit einer gestundeten Abgabe in einem Stundungsantrags. Auch die Stundung von Beiträgen nach dem ASVG ist – abseits von verordneten Betriebsschließungen – nur aufgrund eines begründeten Antrags möglich. Auch in diesem Stundungsantrag könnten unrichtige Erklärungen enthalten sein. Ob derartige potenzielle Haftungen nach Ende der COVID-19-Pandemie von Finanzamt und/oder ÖGK tatsächlich in Anspruch zu nehmen versucht werden, kann aus heutiger Sicht nicht abgeschätzt werden.